
Mitten im August, wenn die Sonne am höchsten steht und die Hitze das Land umhüllt, erlebt Italien einen seiner bedeutendsten Tage: den 15. August, Ferragosto. Es ist weit mehr als nur ein Feiertag – es ist eine Tradition, die tief in der Geschichte verwurzelt ist und das Land für einige Tage fast zum Stillstand bringt. In dieser Zeit leeren sich die Städte, während Küsten, Berge und Dörfer voller Leben sind.
Römische Ursprünge und kaiserliche Großzügigkeit
Die Wurzeln von Ferragosto reichen bis ins Jahr 18 v. Chr. zurück. Kaiser Octavian Augustus führte damals die Feriae Augusti – „die Augustferien“ – ein. Nach den anstrengenden Erntearbeiten gewährte er den Landarbeitern einen offiziellen Ruhetag, oft ergänzt durch Geschenke und Bonuszahlungen. In der Antike begleiteten Pferderennen, festliche Prozessionen und Opfergaben an Fruchtbarkeitsgötter diesen Tag. Auch der Austausch von Glückwünschen war üblich – eine Geste, die bis heute in Form von Karten und Nachrichten fortlebt.
Mit der Christianisierung fiel Ferragosto zeitlich mit einem bedeutenden kirchlichen Fest zusammen: Mariä Himmelfahrt. Der Tag erhielt damit eine doppelte Bedeutung – er blieb ein Moment des Feierns und der Erholung, wurde aber auch zu einem Anlass für den Besuch der Messe und für Familientreffen.
So feiert Italien heute
In der Gegenwart gilt an Ferragosto eine unausgesprochene Regel: ans Meer oder in die Berge. Während die Städte in eine ungewohnte Ruhe fallen, strömen die Menschen an die Strände, in die Alpen oder auf das Land. Im Norden locken Bergseen und Wanderrouten, oft verbunden mit Grillfesten unter freiem Himmel. Die Mitte des Landes feiert mit Picknicks in den toskanischen Hügeln und Konzerten auf den Dorfplätzen. Im Süden und auf den Inseln verbringt man stundenlange Mahlzeiten am Strand, begleitet von Musik und Feuerwerken. Berühmt ist auch das Palio von Siena, das am 16. August stattfindet.
Offiziell ist Ferragosto nur der 15. August, doch es markiert den Beginn einer längeren Sommerpause. Viele Geschäfte, Büros und Werkstätten schließen für eine oder zwei Wochen, manchmal sogar für den ganzen Monat. Selbst in Großstädten liest man an den Türen „Chiuso per ferie“ – wegen Ferien geschlossen. Es ist eine Zeit, in der Italien das Tempo verlangsamt und sich dem Genuss widmet.
Kulinarische Höhepunkte – Ferragosto ist ein Fest der Sinne
Ferragosto ist auch ein Fest der Sinne. Porchetta aus dem Ofen, Pasta mit Meeresfrüchten und süße, saftige Wassermelonen gehören genauso dazu wie ein Glas kühles Prosecco am Abend oder ein Gelato bei Sonnenuntergang.
Ferragosto steht nicht für Formalität, sondern für das Innehalten. Es trägt den Schatten des antiken Roms, das Echo mittelalterlicher Bräuche und den modernen Kult des dolce vita in sich. Auch wenn der Feiertag nur einen Tag dauert, prägt seine Atmosphäre oft eine ganze Woche oder sogar den gesamten Monat. Es ist der Moment im Jahr, in dem Italien zeigt, dass dolce vita kein Luxus, sondern ein Lebensstil ist.