Start Aktuelles Mehr als Pizza und Pisa: Drei große Missverständnisse über Italien

Mehr als Pizza und Pisa: Drei große Missverständnisse über Italien

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Blick in ein Bergdorf in Kalabrien: Abseits der großen Touristenströme zeigt Italien seine stille, ursprüngliche Seite – fern der bekannten Postkartenmotive. (Foto: © Bastian Glumm)
Blick in ein Bergdorf in Kalabrien: Abseits der großen Touristenströme zeigt Italien seine stille, ursprüngliche Seite – fern der bekannten Postkartenmotive. (Foto: © Bastian Glumm)

Italien ist ein Land, das kaum jemand unvoreingenommen bereist. Zu präsent sind die Bilder, die wir aus Filmen, Reiseführern und Restaurants zu Hause im Kopf tragen. Wer die Grenze überquert, tut das oft mit einer mentalen Landkarte voller Klischees – und stößt schnell auf Überraschungen. Denn manches, was man glaubt zu wissen, erweist sich als blanker Irrtum.

Irrtum 1: Italien hat nur Pizza und Pasta

Der erste Irrtum beginnt meist am Esstisch. „Italienisch“ – das klingt für viele nach Pizza, Pasta, Gelato. Und natürlich: Diese drei Worte stehen für das kulinarische Sehnsuchtsdreieck, das Italien weltberühmt gemacht hat. Doch wer in einer römischen Trattoria „Spaghetti Bolognese“ bestellt, blickt nicht selten in irritierte Gesichter. Das Gericht gibt es so schlichtweg nicht. Vieles, was außerhalb Italiens als Nationalspeise gilt, ist Erfindung von Auswanderern in Amerika. Fettuccine Alfredo etwa, ein Klassiker der US-amerikanischen Italo-Küche, kennt in Italien kaum jemand.

Stattdessen regiert Vielfalt: Im Piemont Trüffel und Risotto, in Apulien Orecchiette mit Rübstielen, in Sardinien Spanferkel vom Spieß. Wer Pizza erwartet, findet sie in Neapel in ihrer Urform (und ganz viele andere Gerichte, die mal so gar nichst mit Pizza zu tun haben), in Mailand dagegen hauchdünn und knusprig – oder überhaupt nicht. Der Irrtum: Italien sei eine einzige, homogene Küche. Die Wahrheit: Es ist ein kulinarischer Flickenteppich, so bunt wie seine Regionen.

Ein klassischste Rezept ist Polpo e Patate – Oktopus mit gekochten Kartoffeln, das bis heute in vielen Küstenstädten beliebt ist. (Foto: © Bastian Glumm)
Ein klassischste Rezept ist Polpo e Patate – Oktopus mit gekochten Kartoffeln, das bis heute in vielen Küstenstädten beliebt ist. (Foto: © Bastian Glumm)

Irrtum 2: Rom, Florenz und Venedig sind Italien

Der zweite Irrtum ist geografischer Natur. Rom, Florenz und Venedig – das sind die drei Pole, zwischen denen viele Italienreisen verlaufen. Und zweifellos gehören sie zum Schönsten, was Europa zu bieten hat. Doch Italien erschöpft sich nicht in dieser Trias.

Wer sich ausschließlich auf die großen Postkartenmotive konzentriert, übersieht, dass das Land aus zwanzig Regionen besteht, jede mit eigener Identität. In Kalabrien ist das Meer wilder, in Südtirol klingt der Dialekt nach Österreich, in den Marken scheint die Zeit in stillen Hügeldörfern stehen geblieben. Ein Land, das immer wieder zur Weltbühne wird, besitzt auch intime Seiten. Der Irrtum: Italien sei gleichbedeutend mit seinen berühmten Kunststädten. Die Wahrheit: Italien lebt von der Vielfalt abseits der Trampelpfade.

Irrtum 3: Italiener sind immer laut und offen

Der dritte Irrtum schließlich betrifft die Menschen. Laut, temperamentvoll, immer zu einem Plausch aufgelegt – so lautet das Stereotyp. Wer aber einmal in einer Mailänder Straßenbahn morgens um acht unterwegs war, weiß: Italiener können ebenso schweigsam, gehetzt und verschlossen sein wie Pendler irgendwo sonst.

Natürlich gibt es sie, die plaudernden Nachbarn, die stürmischen Gesten, das spontane „Ciao!“ auf der Piazza. Doch das Bild vom ewigen „Dolce Vita“ ist trügerisch. Italien ist ein Land, das hart arbeitet, mit all seinen sozialen Gegensätzen, mit Bürokratien und Hochgeschwindigkeitszügen, die pünktlicher fahren als so mancher ICE. Offenheit existiert, aber sie ist kein Dauerzustand, sondern entsteht im Moment – wenn man sich Zeit nimmt, ein paar Worte Italienisch probiert und bereit ist, sich auf ein Gegenüber einzulassen.

Hinter den Klischees wartet die Vielfalt

Vielleicht ist genau das der größte Gewinn einer Italienreise: zu begreifen, dass hinter den Klischees ein Land steht, das vielfältiger, widersprüchlicher und lebendiger ist, als es jede Postkarte je zeigen könnte. Italien enttäuscht nicht – es überrascht. Und das ist auch gut so!

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