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Amalfi: Eine Küstenstadt, die sich an den Fels klammert

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Amalfi: Der Dom Sant’Andrea prägt das Zentrum des Ortes. Die monumentale Freitreppe ist religiöses Wahrzeichen, städtischer Treffpunkt und touristische Bühne zugleich. (Foto: © Bastian Glumm)
Amalfi: Der Dom Sant’Andrea prägt das Zentrum des Ortes. Die monumentale Freitreppe ist religiöses Wahrzeichen, städtischer Treffpunkt und touristische Bühne zugleich. (Foto: © Bastian Glumm)

Amalfi liegt dort, wo die Berge Kampaniens abrupt ins Meer abfallen und der Horizont vom Wechselspiel aus Fels, Licht und Wasser bestimmt wird. Der kleine Ort an der gleichnamigen Küste ist weltberühmt und wirkt doch auf den ersten Blick fast unscheinbar. Kaum 5.000 Einwohner leben heute hier, eingezwängt zwischen steilen Hängen und dem Tyrrhenischen Meer. Und dennoch zählt Amalfi zu den geschichtsträchtigsten Orten Italiens.

Amalfi: Vom Welthandel zur Weltkulisse

Was heute als Inbegriff mediterraner Schönheit gilt, war im Mittelalter eine politische und wirtschaftliche Großmacht. Zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert gehörte Amalfi zu den führenden Seerepubliken Italiens. Von hier aus handelten Kaufleute mit dem gesamten Mittelmeerraum, mit Nordafrika, Byzanz und dem Nahen Osten. Amalfitanische Seerechte galten als Maßstab, die Flotte als gefürchtet. Der Reichtum dieser Epoche prägt das Stadtbild bis heute.

Mit dem Niedergang der Seemacht verlor Amalfi seine politische Bedeutung, nicht jedoch seine kulturelle. Der Ort erfand sich neu, als Zentrum des Handwerks, insbesondere der Papierherstellung. In den Tälern oberhalb der Stadt entstanden Papiermühlen, deren handgeschöpftes Papier bis heute als exklusives Produkt geschätzt wird.

Enge Gassen und dichtes Gedränge gehören in der Hochsaison zum Alltag Amalfis. Der Ort steht exemplarisch für die Herausforderungen des Massentourismus an der Amalfiküste. (Foto: © Bastian Glumm)
Enge Gassen und dichtes Gedränge gehören in der Hochsaison zum Alltag Amalfis. Der Ort steht exemplarisch für die Herausforderungen des Massentourismus an der Amalfiküste. (Foto: © Bastian Glumm)

Architektur als Spiegel der Geschichte

Im Zentrum Amalfis erhebt sich der Dom Sant’Andrea, ein Bauwerk, das die wechselvolle Geschichte der Stadt wie kaum ein anderes widerspiegelt. Arabische, normannische, byzantinische und barocke Elemente verschmelzen zu einem architektonischen Gesamtbild, das nicht protzt, sondern erzählt. Die breite Freitreppe führt auf eine Piazza, die zugleich Treffpunkt, Bühne und Ruhepol ist.

Abseits des Doms offenbaren enge Gassen, versteckte Innenhöfe und kleine Plätze das eigentliche Amalfi. Hier zeigt sich eine Stadt, die über Jahrhunderte gewachsen ist, ohne ihre Identität zu verlieren. Historische Gebäude stehen neben schlichten Wohnhäusern, Vergangenheit und Gegenwart existieren selbstverständlich nebeneinander.

Zwischen Faszination und Überforderung

Wie sehr Amalfi heute zwischen Anziehungskraft und Belastungsgrenze steht, zeigt sich besonders in den Sommermonaten. Bei einem Besuch vor zwei Jahren, mitten im Hochsommer, war der Ort bis an seine Kapazitätsgrenzen gefüllt. Busse, Autos, Tagestouristen und Kreuzfahrtgäste verdichteten sich auf engem Raum. Ein beeindruckendes, zugleich herausforderndes Bild.

Selbst das Parken wird hier zur Erfahrung: Bei unserem Besuch im Sommer 2023 haben wir ein Parkhaus angesteuert, das direkt in den Fels geschlagen ist, ein Tunnel tief im Berg. Die Zufahrt führte wie in einen Stollen, eng, dunkel und überraschend weit hinein. Aufgrund des Andrangs galt eine besondere Regelung: Pro Fahrzeug durfte sich nur eine Person im Parkhaus aufhalten. Alle Mitfahrer mussten bereits vor der Einfahrt aussteigen. So holte man sein Auto später allein ab, um die Wartenden draußen wieder einzusammeln.

Eine Situation, die gleichermaßen erstaunt wie sinnbildlich für Amalfi steht: für menschliche Ingenieurskunst, räumliche Begrenzung und den enormen Druck des Massentourismus. Von diesem Parkhaus führt wiederum ein langer Fußgängertunnel direkt ins Ortszentrum. Übrigens: Wer mit dem Auto nach Amalfi unterwegs ist, braucht starke Nerven. Die dortige Verkehrssituation ist nicht zu unterschätzen. Definitiv nichts für Fahranfänger.

Abseits der Hauptachsen zeigt sich Amalfi als gewachsener Lebensraum. Wohnhäuser, kleine Restaurants und Alltagsmomente prägen das Bild jenseits der touristischen Kulissen. (Foto: © Bastian Glumm)
Abseits der Hauptachsen zeigt sich Amalfi als gewachsener Lebensraum. Wohnhäuser, kleine Restaurants und Alltagsmomente prägen das Bild jenseits der touristischen Kulissen. (Foto: © Bastian Glumm)

Leben zwischen Meer und Fels

Trotzdem – oder gerade deshalb – entfaltet Amalfi eine besondere Intensität. Der Alltag folgt einem eigenen Rhythmus. Morgens bestimmen Fischerboote und Lieferverkehr das Bild, tagsüber füllen Besucher aus aller Welt die Straßen, am Abend kehrt Ruhe ein. Cafés, kleine Restaurants und Familienbetriebe prägen das öffentliche Leben. Die Küche ist einfach, regional und vom Meer bestimmt. Frischer Fisch, Pasta, Olivenöl und Zitronen bilden die Grundlage vieler Gerichte.

Besonders die Zitronen von Amalfi sind mehr als nur landwirtschaftliches Produkt. Die großfruchtigen, intensiv duftenden Sorten wachsen auf steilen Terrassen und sind identitätsstiftend für die Region. Sie sind Grundlage für Limoncello, Süßspeisen und herzhafte Gerichte und Sinnbild für das Zusammenspiel von Mensch und Landschaft.

Natur als Bühne und Herausforderung

Die Amalfiküste gehört zu den spektakulärsten Kulturlandschaften Europas und steht seit 1997 unter dem Schutz der UNESCO. Wanderwege, Aussichtspunkte und Bootsrouten eröffnen Perspektiven, die Amalfi immer wieder neu erscheinen lassen. Gleichzeitig stellt die Topografie den Ort vor Herausforderungen: begrenzter Raum, Verkehrsdichte und die Balance zwischen Tourismus und Lebensqualität.

In den vergangenen Jahren wurden Maßnahmen zur Besucherlenkung, zum Schutz historischer Bausubstanz und zur nachhaltigen Entwicklung verstärkt. Amalfi steht exemplarisch für viele italienische Orte, die zwischen globaler Nachfrage und lokaler Verantwortung vermitteln müssen.

Amalfi ist kein Freilichtmuseum

Amalfi ist kein Freilichtmuseum, sondern eine lebendige Stadt. Trotz internationaler Bekanntheit bewahrt der Ort eine Authentizität, die spürbar bleibt. In Gesprächen, im Handwerk, im alltäglichen Leben. Wer Amalfi besucht, begegnet nicht nur einer Postkartenkulisse, sondern einer Stadt, die gelernt hat, mit ihrer Geschichte zu leben.

Und Amalfi ist auch kein Ort des schnellen Konsums. Es ist ein Ort, der Zeit verlangt.  Zum Gehen, zum Schauen, zum Verstehen. Und vielleicht liegt genau darin sein anhaltender Zauber.

Amalfi auf einen Blick

Lage:
Amalfi liegt in der Region Kampanien an der Costiera Amalfitana, etwa 70 Kilometer südlich von Neapel, eingebettet zwischen steilen Berghängen und dem Tyrrhenischen Meer.

Anreise:
Über kurvenreiche Küstenstraßen mit dem Auto oder Bus, alternativ per Fähre von Neapel, Salerno oder Sorrent. Die nächstgelegenen Flughäfen befinden sich in Neapel (NAP) und Salerno (QSR).

Parken:
Parkraum ist stark begrenzt. Zentrale Parkhäuser sind teilweise direkt in den Fels gebaut. In der Hochsaison kommt es zu Wartezeiten und besonderen Zugangsregelungen.

Beste Reisezeit:
April bis Juni sowie September und Oktober. Juli und August sind sehr heiß und stark frequentiert.

Sehenswertes:
Dom Sant’Andrea, Altstadt, Hafen, Museo della Carta, Wanderwege entlang der Amalfiküste, Bootsausflüge.

Besonderheiten:
UNESCO-Welterbe, historische Seerepublik, ausgeprägte Zitronenkultur, hohe Besucherzahlen in der Hochsaison.

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