
Seit Jahrzehnten ist sie Stoff für politische Visionen, hitzige Debatten und technische Träumereien: die Brücke über die Straße von Messina. Sie soll nicht nur Kalabrien und Sizilien verbinden, sondern auch Nord- und Südeuropa enger zusammenrücken lassen. Jetzt steht das Jahrhundertprojekt so nah vor der Umsetzung wie nie zuvor – mit politischem Segen, gesicherter Finanzierung und einem Bauplan, der Weltrekorde brechen will. Für die einen ist sie Symbol für Aufbruch und Mut, für die anderen ein überdimensioniertes Prestigeobjekt, das Natur, Kosten und Risiko herausfordert.
Vom Traum zur Genehmigung
Nach jahrzehntelangem Hin und Her ist das Projekt nun erstmals in allen entscheidenden Punkten beschlossen. Am 6. August 2025 hat der interministerielle Ausschuss CIPESS den finalen Entwurf freigegeben – samt Umweltprüfung, Finanzierungsplan und Bauzeitplan. Damit ist der Weg frei für den Baustart im Herbst. Die veranschlagten 13,5 Milliarden Euro stammen vollständig aus öffentlichen Mitteln, und der Projektträger sieht keine offenen Hürden mehr für den Beginn der Arbeiten. Italienische Medien werten das als historischen Meilenstein.
Die geplante Brücke wird mit einer freitragenden Spannweite von 3,3 Kilometern und einer Gesamtlänge von fast 3,7 Kilometern die längste Hängebrücke der Welt sein. Sie soll sechs Fahrspuren und zwei Eisenbahngleise umfassen und Pylone von knapp 400 Metern Höhe tragen. Die Baugesellschaft Webuild hebt hervor, dass die Konstruktion auch in einem erdbebengefährdeten Gebiet höchste Sicherheitsstandards erfüllen wird. Die Überfahrt für Autos würde sich auf etwa zehn Minuten verkürzen, für Züge auf rund fünfzehn – ein enormer Zeitgewinn gegenüber den heutigen Fährverbindungen.
Wirtschaftliche und strategische Bedeutung
Die Regierung verspricht bis zu 120.000 neue Arbeitsplätze pro Jahr während der Bauphase und sieht in der Brücke einen entscheidenden Impuls für den Süden. Sie soll den transeuropäischen Verkehrskorridor Berlin–Palermo schließen und auch militärisch strategisch von Nutzen sein. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bezeichnete das Projekt als „strategische Etappe für Italien“, während lokale Berichte aus Sizilien zeigen, dass vor Ort nicht nur Begeisterung herrscht.
Umweltverbände warnen vor Eingriffen in sensible Küsten- und Meeresökosysteme, darunter bedeutende Vogelzugrouten. Auch das Risiko von Mafia-Infiltrationen wird immer wieder betont. In Messina demonstrierten kürzlich mehrere Tausend Menschen unter dem Motto „No Ponte“ gegen den Bau. Sie fordern, das Geld lieber in bestehende Infrastrukturen und soziale Projekte zu investieren. Dennoch laufen die Vorbereitungen, und Berichte staatlicher Sender bestätigen, dass die ersten Arbeiten bereits im Spätsommer beginnen sollen.
Brücke von Messina: Wie geht es jetzt weiter?
Wenn alles nach Plan läuft, könnten die ersten Autos und Züge in den frühen 2030er-Jahren die Meerenge überqueren. Ob dann ein jahrzehntelanger Traum in Erfüllung geht oder sich ein kostspieliges Prestigeprojekt entpuppt, wird Italien noch lange beschäftigen. Sicher ist nur: Die Brücke von Messina wird schon vor ihrer Fertigstellung zu einem Symbol – für technische Ambition, politische Zielstrebigkeit und den ewigen Streit um den richtigen Weg in die Zukunft.