
Es ist nicht mehr die Ausnahme, die überrascht – sondern die Regel, die sich wandelt. Zum dritten Mal in Folge beginnt der Sommer in Italien nicht mit flirrender Leichtigkeit, sondern mit schwerer Hitze. Was früher ein meteorologisches Ereignis war, scheint inzwischen Teil des Kalenders zu sein: Hitzewelle, gleich nach dem Frühlingsende.Schon Mitte Juni lagen die Temperaturen in weiten Teilen des Landes deutlich über dem langjährigen Durchschnitt. Doch anders als in den vergangenen Jahren wird nicht nur über Rekorde gesprochen, sondern auch über Rhythmen. Über einen Wandel, der sich nicht mehr nur messen lässt, sondern fühlen.
Ein Klima, das drückt – von Norden bis Süden
In Florenz stieg das Thermometer in dieser Woche auf über 40 Grad. In den engen Gassen der Altstadt stauen sich nicht nur Touristen, sondern auch die Hitze – gespeist von Stein, Asphalt und Stille. Neapel, sonst umspült von der Brise des Golfes, steht seit Tagen in schwüler Luft. Selbst nachts fällt die Temperatur nicht unter 27 Grad. Die Stadt hat die höchste Hitzewarnstufe ausgerufen.
Im Norden melden Mailand und Bologna konstant Werte über 36 Grad, begleitet von Tropennächten und hoher Luftfeuchtigkeit. In der Lombardei kam es in den letzten Tagen zu vereinzelten Gewittern, die jedoch keine spürbare Abkühlung brachten. Stattdessen: drückende Schwüle, grelles Licht und ein Tagesablauf, der sich zunehmend den Temperaturen unterordnet.
Auf den Inseln ist die Lage kaum besser. In Palermo auf Sizilien wurde gestern der vierte Tag in Folge mit über 38 Grad gemessen. Auf Sardinien stiegen die Temperaturen im Landesinneren sogar auf 42 Grad. In Cagliari, Oristano und Nuoro bleiben öffentliche Einrichtungen tagsüber teilweise geschlossen.
Sehr verhaltenes Tempo in den Städten

Es ist ein anderes Stadtbild, das sich in diesen Tagen zeigt: leerere Plätze, verschattete Cafés, verhaltenes Tempo. Der öffentliche Raum hat seine Selbstverständlichkeit verloren. In Venedig, wo die Sonne von Wasser und Stein doppelt reflektiert wird, verteilen freiwillige Helferinnen Wasserflaschen an Besucher. In Rom bleiben viele kleinere Läden zwischen 13 und 17 Uhr geschlossen – nicht aus Tradition, sondern aus Vernunft.
Doch es gibt auch Bewegungen unter der Oberfläche: Notfallpläne für besonders gefährdete Menschen, erhöhte Bereitschaft in den Kliniken, Hilfshotlines in über 20 Städten. Die großen Kathedralen und öffentlichen Bibliotheken dienen als Rückzugsorte, ebenso wie Einkaufszentren, Kirchen, Kinosäle. Die italienische Zivilgesellschaft reagiert, ruhig, organisiert, ohne große Worte.
Lebenskunst in Zeiten der Hitze
Die Reaktion der Bevölkerung ist bemerkenswert. Sie ist weder hysterisch noch gleichgültig – sondern aufmerksam. Man weiß um die Grenzen des eigenen Körpers, man kennt die Häuser, die Schatten, die Gewohnheiten, die helfen. In den Dörfern der Toskana sieht man alte Männer in stiller Eintracht unter Bäumen sitzen. In Neapel kühlen Kinder ihre Füße an Brunnen. Man improvisiert, aber nicht planlos. Und man klagt nicht.
Hitze ist in Italien kein Fremdwort
Dass Hitze in Italien kein Fremdwort ist, weiß jeder, der einmal einen Sommer hier verbracht hat. Doch dass sie in solcher Frequenz, mit solcher Beharrlichkeit, mit solcher Last auftritt – das ist neu. Die Hitzewelle des vergangenen Jahres war kein Einzelfall, sondern Teil einer Serie. Und jedes neue Extrem verschiebt die Grenze des Normalen ein Stück weiter.

Die Meteorologen sprechen von einer „afrikanischen Wärmeglocke“, die sich in diesem Jahr besonders früh festgesetzt hat. Auch die Alpentäler sind betroffen – in Südtirol kletterten die Werte in Meran und Bozen auf über 35 Grad. In den kommenden Tagen wird kaum mit Entspannung gerechnet. Im Gegenteil: Weitere Hitzetage werden erwartet, begleitet von lokalen Unwettern, insbesondere im Norden.
Ein Sommer wie ein Spiegel
Und dennoch: Italien bleibt sich treu. Es bewahrt Haltung. Vielleicht, weil man gelernt hat, dass sich nicht alles kontrollieren lässt – nicht das Wetter, nicht die Geschichte, nicht die Zukunft. Aber vielleicht auch, weil in der Langsamkeit, in der Umstellung, in der kleinen Geste des Rückzugs ein Moment von Selbstschutz liegt.
Wer in diesen Tagen durch das Land reist, sieht nicht nur ein überhitztes Italien. Man sieht ein Land, das weiß, wie man reagiert, ohne sich zu verlieren. Man sieht Menschen, die sich nicht in Panik retten, sondern in Gewohnheiten. Und man spürt eine große Kraft in der scheinbaren Ruhe.