
In der sizilianischen Küstenstadt Licata hat der Karfreitag eine tief verwurzelte religiöse und kulturelle Bedeutung. Wie in vielen Teilen Süditaliens wird auch hier die Passion Christi mit eindrucksvollen Prozessionen und traditioneller Frömmigkeit begangen.
Die Prozession der „Addolorata“
Ein zentrales Ereignis ist die Prozession der „Addolorata“ – der Schmerzensreichen Muttergottes. Dabei wird eine Statue der Maria Addolorata durch die Straßen der Stadt getragen, begleitet von Gläubigen in schwarzer Trauerkleidung, Kerzenlicht und feierlicher Musik. Die Atmosphäre ist still und ergriffen – eine kollektive, tief emotionale Darstellung des Leidens Marias und Jesu.
Organisiert wird die Prozession häufig von verschiedenen Bruderschaften, deren Mitglieder in traditionellen Gewändern teilnehmen. Diese Karfreitagsprozession zählt zu den wichtigsten religiösen Ereignissen in Licata und spiegelt die tiefe Verwurzelung des Glaubens und die gelebten Traditionen der Gemeinschaft wider. Jedes Jahr versammeln sich Einheimische und Besucher, um diesem bewegenden Ritual beizuwohnen, das den Leidensweg Christi auf eindrucksvolle Weise nachzeichnet.
Gläubige barfuß unterwegs in den engen Gassen
Viele Gläubige machen sich bereits in der Nacht zum Karfreitag barfuß auf den Weg durch die engen Gassen, um bei den letzten Vorbereitungen dabei zu sein. Die Prozession beginnt traditionell um 13 Uhr und führt durch die historischen Viertel der Stadt. Im Mittelpunkt stehen kunstvoll gestaltete Heiligenstatuen – insbesondere die Darstellung des verurteilten Christus und der schmerzensreichen Muttergottes –, die auf den Schultern der Gläubigen getragen werden. Begleitet werden sie von Musikgruppen, die klagende Märsche spielen, sowie von Bruderschaftsmitgliedern in festlicher Tracht.
Besonders eindrucksvoll ist die stille, fast meditative Atmosphäre während der gesamten Prozession. Viele Teilnehmer gehen barfuß, manche tragen Kerzen oder eiserne Ketten als Zeichen der Buße und inneren Einkehr. Es ist ein zutiefst emotionales Ereignis, das Schmerz, Hoffnung und spirituelle Verbundenheit auf eindringliche Weise miteinander vereint.
Besonders bewegend: Die sogenannte „Giunta“
Ein besonders bewegender Moment ist die sogenannte „Giunta“ – die Begegnungsszene zwischen der Schmerzensmutter und dem zum Kreuz schreitenden Christus. Sie symbolisiert das Wiedersehen von Mutter und Sohn und zieht jedes Jahr zahlreiche Gläubige an. Nicht selten sieht man Menschen mit Tränen in den Augen diesen Moment in stiller Andacht erleben.
Nach der symbolischen Kreuzigung verweilen viele Gläubige unter dem Kreuz, bis Christus nach Einbruch der Dunkelheit vom Kreuz genommen und in einer vergoldeten Sänfte zurück in die Kirche San Gerolamo getragen wird. Mit der Rückkehr des toten Jesus in die Kirche gegen 23.15 Uhr endet auch das Fastengelübde in Licata.

Auch auch die Kulinarik spielt eine wichtige Rolle
Neben dem religiösen Geschehen spielt auch die Kulinarik eine wichtige Rolle am Karfreitag. Eine lokale Spezialität ist der sogenannte Muffoletto (im Dialekt: muffulettu) – ein weiches, rundes Brot mit Anis, das traditionell mit Olivenöl, Sardellen, Pfeffer und Salz gefüllt wird. Dieses einfache, aber geschmackvolle Gericht wird oft nach der Prozession oder abends im Familienkreis gegessen und gilt als klassisches Fastengericht, da es kein Fleisch enthält. Der Muffoletto ist nicht nur Ausdruck der regionalen Esskultur, sondern auch ein Symbol für die enge Verbindung zwischen Glaube und Alltag in Licata.
Der Karfreitag in Licata vereint Glauben, Gemeinschaft und jahrhundertealte Traditionen – ein lebendiges Zeugnis sizilianischer Volksfrömmigkeit.
Wir danken Rosario Lo Vacco vom Colibri-Sprachstudio in Solingen für die Fotos und die Infos!